Die deutsche Politik hat sich völlig von den Fundamenten der Vergangenheit gelöst. Mit diesen Worten kommentierte Willy Wimmer, früherer verteidigungspolitischer Sprecher der Union und Ex-Staatssekretär beim Bundesverteidigungsminister, im Sputnik-Gespräch das neue Positionspapier der CDU, das eine Verschärfung der Russland-Politik vorschreibt.
Herr Wimmer, Sie waren verteidigungspolitischer Sprecher der CDU/CSU. Dieses Positionspapier der CDU/CSU zu Russland ist ja quasi auch verteidigungspolitisch. Hätten Sie das auch so präsentiert zu Ihren Zeiten?
Dieses Papier macht eigentlich deutlich, dass sich die deutsche Politik unter der Bundeskanzlerin Merkel völlig von den Fundamenten der Vergangenheit gelöst hat. Vor diesem Hintergrund kann ich Ihnen durchaus sagen, dass wir jedenfalls zu der Zeit als die Bundesrepublik Deutschland noch vertragstreu war und zum Nato-Vertrag stand und die Charta der Vereinten Nationen geachtet hat, wir zu einem solchen Papier nicht fähig gewesen wären. Ich habe gestern noch eine Aussage des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl in der Rhein-Zeitung, die in Koblenz erscheint, zur Wiedervereinigung gelesen, und er versichert da der staunenden und auch erfreuten Welt, dass von deutschem Boden aus nie mehr Krieg ausgehen würde. Wenn man diesen Satz nur wiedergibt, dann weiß man wie deutsche Politik verkommen ist. Und wir hätten so ein Papier der Verkommenheit mit Sicherheit nicht formuliert.
Die CDU/CSU scheint sich nun auch massiv bedroht zu fühlen von Russland und setzt in ihrem Sicherheitskonzept in diesem Papier auf Aufrüstung und die Nato. Wenn man das alles im Zusammenhang sieht, dann hat man sich in Berlin offensichtlich ein eigenes Geschichtsbild zurechtgezimmert. Wenn das jemand anders gemacht haben würde, würde man sagen, würde man ihn wohl fragen, ist wohl Vollmond gewesen, als man so ein Papier geschrieben hat. Aber das ist nun mal die größte deutsche Partei und sie stellt die Bundesregierung und wenn man dieses Papier in diesen Zusammenhängen liest, ist diese Partei offensichtlich, meine Partei, zu einer Partei verkommen, die eine Gefahr für die europäische Sicherheit darstellt, und die nicht mehr in der Lage ist, die nationalen Interessen der Bundesrepublik Deutschland wahrzunehmen und zu vertreten. Das sieht man ja nicht nur an der Geschichtsfälschung, die in diesem Papier betrieben wird. ich will das an einem Beispiel deutlich machen: Jeder, der noch klar im Kopf ist, weiß im Zusammenhang mit dem Jahr 2008, dass es ein ziemlich durchgeknallter georgischer Staatspräsident gewesen ist, der den Krieg um Ossetien angezettelt hat. Wenn dann in dem Papier geschrieben wird, dass Russland Georgien 2008 überfallen haben würde, dann muss man sich ja fragen, in welcher Welt die Autoren dieses Papiers überhaupt leben. Dass ist das eine. Das zweite, was man in diesem Zusammenhang sagen muss, wir haben ja alle der Bundeskanzlerin im Zusammenhang mit den Ereignissen in der Ukraine durchaus die Fähigkeit zugeschrieben, jedenfalls den Ausbruch eines großen Krieges mitverhindert zu haben. Wenn man das Papier jetzt liest, muss man ja davon ausgehen, dass die Bundeskanzlerin, denn an ihr vorbei wird so ein Papier auch nicht im Entwurf geschrieben, dass die Bundeskanzlerin dem Minsker Prozess die Grundlage entziehen will und damit zur Destabilisierung Europas einen entscheidenden Beitrag liefern will.
Die Position der CDU/CSU ist widersprüchlich. Auf der einen Seite will man Handel treiben mit Russland, auf der anderen Seite stellt man Russland als Aggressor dar. Das Papier beginnt mit einem freundlichen Vorwort, dem dann sofort einen lange Aufzählung russischer Schandtaten folgt. Für russische Ohren klingt das bestimmt nicht wie eine Einladung zur Zusammenarbeit.
Es ist intellektuell unredlich, was man da macht. Wir sehen ja, die Politik gegenüber der Russischen Föderation seit der deutschen Wiedervereinigung und da muss man ja die ganze Latte hinzuaddieren – vom völkerrechtswiderrechtlichen Krieg gegen Jugoslawien über die Lüge mit dem Irak-Krieg und und und, und es endet ja nicht zuletzt bei Libyen und Syrien. Das ist ja das, was wir sehen, und damit einhergehend, eine völlige Veränderung der Nato, und dann eine Dislozierung von Nato-Truppen unmittelbar an der russischen Westgrenze. Mit dem, was wir seit vielen Jahren in Deutschland machen, auch im Zusammenhang mit einer veränderten Nato, tragen wir heute an der russischen Westgrenze wieder dazu bei, dass die gleichen Konflikts-Szenarien wieder hochkommen, wie im Kalten Krieg, von dem wir alle hofften, dass er vorbei und abgeschlossen sein würde. Das heißt, wir machen eine Politik, die sich nahtlos an das anschließt, was im Kalten Krieg gewesen ist, und wenn ich in Russland, in Moskau sitzen würde, und mir diese Entwicklungen an der Westgrenze ansehen würde, dann würde ich doch mit Sicherheit zu einem Schluss kommen: Das ist die gleiche Politik, die Adolf Hitler und Napoleon betrieben haben, und in dieser Dimension können wir eine Politik der guten Nachbarschaft, die wir uns ja alle 1990 bei der Charta von Paris in die Hand versprochen haben, nicht betreiben. Gerade erst letzte Woche hat die EU eine Resolution gegen russische Propaganda und Propaganda vom IS verabschiedet, in ein und demselben Dokument übrigens. Die CDU/CSU scheint diese EU-Resolution nun direkt umsetzen zu wollen. Einzelne Passagen in dem Positionspapier scheinen direkt aus der EU-Resolution übernommen zu sein. Wir haben ja eine Situation, das muss ich zu meinem Leidwesen und zu meinem Bedauern sagen, in meinem eigenen Land, in Deutschland, wo gerade in der Zeit der Regierung Merkel mit wechselnden Koalitionspartner den in Deutschland bestehenden Pluralismus in der öffentlichen Diskussion und auch im Medienbereich aufgehoben worden ist, hier wird in einer Art und Weise Mainstream getrommelt, dass man sich ja nur an dunkle Zeiten der deutschen Geschichte erinnern muss, dann kann man das beschreiben, was derzeit passiert. Und wir sehen, dass bis zu Papieren, die in den Vereinigten Staaten im ‚Atlantic Council‘ formuliert und erarbeitet werden, dass das eine durchgehende Linie ist, mit der wir es zu tun haben, und der Kern dieser Linie, der ist sehr klar zu definieren. Die Russische Föderation hat sich nach der Jelzin-Zeit dazu durchgerungen, für die Eigenbelange ihres Landes eigenständig die Politik zu betreiben. Sie wollen in Übereinstimmung mit den geltenden Regeln des Völkerrechts ein souveräner Staat sein, und genau diese Haltung in Moskau wird vor allen Dingen durch die Führungsmacht des Westens, durch die Amerikaner, mit den Briten, und jetzt massiv mit den Berlinern, versucht aufzuweichen, Russland soll unter Kuratel gestellt werden. Anders kann man auch die Formulierungen in diesem Entwurf nicht lesen, es wird alles getan, um Moskau das politische Rückgrat zu brechen, und eines ist sicher: Das passiert mit Moskau nicht.
Die Einstellung der CDU/CSU zu Russland scheint sich schon von der Einstellung der SPD zu unterscheiden. Meinen Sie Russland wird ein Wahlkampfthema werden?
Wir müssen in der derzeitigen Situation sehen, dass der einzige, der noch mit Verstand in der Berliner Regierung die Dinge buchstabiert hat, was unsere deutsche Politik gegenüber der Russischen Föderation betrifft, ist Außenminister Steinmeier. Da kann man eine Menge dazu sagen, aber man muss feststellen, dass er jedenfalls vom Verstand und von den deutschen Interessen im Zusammenhang mit einem großen Nachbarland Gebrauch gemacht hat. Der wird jetzt aus dem Verkehr gezogen. Der außen- und sicherheitspolitische Berater der Bundeskanzlerin, der eigentlich für die Nato-Kriegs-Politik seit Solana stand und steht, geht jetzt nach New York. Ich würde gern wissen mit welcher Zielvorgabe er dahin geht, aber damit ist eine zweite, außen- und sicherheitspolitische Konstante in der Berliner Politik weggenommen. Wir gehen, was die Politik gegenüber allen unseren Nachbarn anbetrifft, auch der Russischen Föderation gegenüber, in eine außenpolitische Zeit, die davon bestimmt ist, dass wir leere Felder in Berlin zurücklassen, und da gehen in eine solche Situation solche Papiere hinein, und machen das ganze brandgefährlich. Wir haben in den zurückliegenden Jahren, eine völlige Abkehr von der Politik der Kanzler von (Konrad – Anm. d. Red.) Adenauer bis Gerhard Schröder unter Einfluss von Helmut Kohl und Helmut Schmidt gehabt und wir haben immer wieder darauf gelegt, mit unseren kleineren und größeren Nachbarn eine gute Nachbarschaftspolitik zu betreiben, und auf sie zu hören, und sie als gleichberechtigt zu empfinden. Das was die Bundeskanzlerin Merkel in Berlin veranstaltet, ist die Rückkehr zur deutschen Hybris. Mir tut deswegen Berlin leid, aber leider man muss sagen, das ist die Berliner Politik. Deutsche Hybris, wie wir sie eigentlich im letzten Jahrhundert zum Schrecken der Welt erlebt haben, und nie mehr erleben wollten. Helmut Kohl mit dieser Aussage zur deutschen Wiedervereinigung, die ich eben wiedergegeben habe, hat zum Absurdum geführt, und das ist gegen die Interessen des deutschen Volkes.
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