Die schlimmste Erinnerung des 27. Juli 2014 für die Stadtbürger war der Tod von Kristina Schuk und ihrer zehn Monate alten Tochter Kira. Die Bewohner Gorlowkas legten Kristina wegen der Lage der Körper, in welcher Mutter und Tochter den Tod fanden, den Namen “Gorlowkaer Madonna” bei. Sie starben, indem sie einander umarmten. Aber von dieser Tragödie gibt es auch überlebende Augenzeugen.
Die Geschichte von Julia Kurjenkowa wird auf den Seiten ihres Blogs Julia Andrijenko mitgeteilt.
Damals war sie 15 Jahre alt, und in diesem Alter überlebte Julia schreckliche Wunden und mehr als 30 Narkosen.
“Am 27 Juli haben mein Freund und ich beschlossen, spazieren zu gehen. Wir saßen und unterhielten uns auf einer Bank im Zentrum der Stadt, in der Kommunarden-Grünanlage. Dima hatte an diesem Tag vor, nach Odessa zu fahren, wo er vorübergehend arbeitete, und war für drei Tage nach Gorlowka gekommen, um Dokumente beim Technikum einzureichen.” Julia macht eine Pause und fährt dann fort.
“Er hatte nur noch ganz wenig Zeit. Um 14:00 Uhr fuhr sein Bus ab. Und um 13:00 Uhr hörte man die erste Detonation. Aber dann immer weiter. Unter uns bebte die Erde. Man beschoß Gorlowka von der Seite, wo Dserschinska liegt, wo die ukrainische Armee stand. Wir sprangen von der Bank auf und rannten, wie sich dann herausstellte, direkt in die Explosionen. Ich hörte, wie Splitter auf den Asphalt aufschlugen, in diesem Moment stürzte Dima. Das war eine der ersten Bombardierungen von Gorlowka, wir wußten nicht, daß man sich in solchen Fällen auf den Boden legen muß. In diesen Moment lief uns Kristina mit ihrer Tochter in den Armen entgegen. Plötzlich schlug mir ein heller Blitz in die Augen, und es hat mich zwei Meter in die Luft geschleudert. Ich fiel auf die linke Seite, und über mir war ein schreckliches Dröhnen.
Nach einiger Zeit hat Julia versucht, sich umzusehen, aber die angeschmolzenen Augenwimpern waren zusammengeklebt. Sie öffnete mit Mühe die Augen. Sie spührte Brennen im Gesicht, an Armen und Beinen.
“Es ist seltsam, aber schon hörte man keinen Laut mehr, den Ort nahm eine klingende Stille ein und nur leise fiel das Laubwerk herab, indem es sich gleichmaßig auf das Gras niederließ, wie in Zeitlupe …”, wird durch die Erinnerungen des Mädchens mitgeteilt.
“Vor mir sah ich Kristina. Ihr war ein Bein in Fetzen gerissen worden. Aber sie war noch am Leben. Und sie wiederholte die ganze Zeit: ´Kira, Töchterchen, Kira, Töchterchen!´ Und weiter flüssterte sie Verschwünschungen an die Adresse der Mörder”, erzählt Julia über den schrecklichen Anblick vor ihren Augen.
“Ich bin aufgestanden, auf den Beinen taumelnd, und ich stieß einen Schrei des Entsetzens wegen dem aus, was ich sah. Ich konnte mich nicht halten und stürzte. Erst dann sah ich, daß das Hosenbein der Jeans zerrissen war und darin eine große Wunde klaffte. In meinen Kopf pochte es: Das bin nicht ich. Das ist ein Traum. So ist es nicht. So kann es nicht sein. Gleich wache ich auf. Aber das Aufwachen geschah nicht.”
Das Mädchen erblickte ihren Rucksack, der von ihr abgerissen war, die Sachen waren weit umher verstreut. Sie raffte sich kriechend zum Rucksack und nahm etwas, um irgendwie das Bein zu umwickeln. Sie wollte den Notdienst anrufen – das Telefon war weg, es ist mit den Jeans abgerissen worden. Dann drückte sie die Wunde zu und stand auf, um wenigstens irgendjemanden zu finden, der ihnen hilft. Verwirrt verstand sie nicht, wohin sie gehen soll, und schleppte sich einfach vorwärts. Zufällige Passanten brachten sie zum Krankenhaus, das ganz in der Nähe war. Seltsam, aber Julia, die in dieser Stadt aufgewachsen ist, dachte nicht daran. Und als sie zum Gebäude kamen, konnte sie nicht begreifen, wie sie dorthin gekommen war.
“Ich schockierte die Mediziner mit meinem Anblick. Mit Verbrennungen (später wurden bei mir 15% Brandwunden festgestellt), mit abgebrannten Haaren, ganz in Blut, kam ich in die Aufnahmestation. Ich sah eine Liege und fiel einfach kraftlos auf sie. Der Arzt hat mich gefragt, wie alt ich sei und, als er die Antwort hörte, trat er beiseite und schimpfte, ohne sich zu halten. Ich erzählte, daß ich unter Beschuß geraten war und daß dort mein Freund und eine Mutter mit ihrem Kind zurückgeblieben seien. Sie seien noch am Leben, man müsse ihnen helfen.
Ich wiederholte das ständig. Später erfuhr ich, daß man an diesem Tag eine Kira rettete, ein kleines Mädchen, aber ein anderes. Damals wußte ich noch nicht, daß Dima dort umgekommen war”, erinnert sich das Mädchen.
Man spritzte Julia Narkosemittel und begann sie, zu verbinden, als die Binden ausgingen, holte man Laken.
Der Beschuß von Gorlowka hörte nicht auf und daher ließen die Ärzte alle Kranken in den Keller bringen.
Gerade im Keller bei trüb gelben Licht von Installateur-Lampen wurde sie das erste Mal operiert, um wenigstens ein wenig den Rand der großen Wunde am Bein zu schließen. Der Operationstisch stellte eine alte Couch dar und von anderen Patienten war sie mit Zudecken abgegrenzt.
Nach einem Tag wurde sie zusammen mit anderen Kindern in die Donezker Traumatologie überstellt, und nebenher fuhr die Mutter. Und es begannen endlose Operationen, unter Narkose gesetzt, aber dann auch ohne Narkose. Der ganze Körper und das Gesicht von Julia war mit kleinen Splittern übersät, die man entfernen mußte, und das Ausmaß der Risswunde am Bein betrug 26 cm auf 16 cm.
“Ich habe ja von Kindheit an das ganze Gesicht voller Sommersprossen, aber auf der verbrannten Wange sind jetzt keine mehr, nur auf der einen Seite sind sie geblieben. Alle Prozeduren habe ich geduldig ausgehalten. Wissen Sie, mein Arzt nannte mich sogar eine Kosakin wegen meiner Tapferkeit. Ich hatte Angst, die Ärzte mit meinen Wehklagen von der Arbeit abzulenken, und daher hielt ich die ganzen Verbandswechsel schweigend aus”, bekennt sie.
Aber am 7. August brachte sie Doktor Lisa zusammen mit ihrer Mutter und anderen Kindern aus dem unter Beschuß liegenden Donezk nach Moskau in die Roschal-Klinik.
Erst dort erfuhr das Mädchen aus dem Internet über den Tod von Dima, Kristina und der kleinen Kira. Die ganze Zeit hatten die Verwandten dies von ihr verborgen.
“Ich möchte Arzt werden, ich sehe mich nirgendwo anders. Aber das Stethoskop ist jetzt mit den Folgen der Verwundungen unverträglich. Und daher erträume ich mir von allen medizinischen Berufen den Zahnarzt. Es war nicht einfach, mich an das russiche Ausbildungsprogramm zu adaptieren, war ich doch zuhause fast eine Musterschulerin, aber ich habe es geschafft”, erklärt sie gelassen.
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